Wie die Brüder Braun aus einer Idee Deutschlands Touristenattraktion Nummer eins machten
Weihnachtszeit ist Modelleisenbahnzeit. Die kleinen Modellwelten im beliebten Maßstab 1:87 stehen dank Digitalisierung immer noch hoch im Kurs des Nachwuchses – sprich auf dem Wunschzettel. Wer meint, dass Modellzüge nur Kinderspielzeug sind, der hat die Rechnung ohne die Gebrüder Braun gemacht. Die haben nämlich vor über 15 Jahren beschlossen, aus ihrem Hobby einen Beruf zu machen: Sie gründeten das Miniatur Wunderland in Hamburg. Eine unglaubliche Erfolgsgeschichte in H0.
Wie so manche große Sache beginnt auch die Erfolgsgeschichte des Miniatur Wunderlands mit einer Vision. Frederik Braun, einer der späteren Gründer, sah bei einem Urlaub in der Schweiz eine Modellbahnanlage. Kurzerhand rief er seinen Zwillingsbruder Gerrit in Hamburg an und erzählte ihm von seiner Idee zum Bau der weltgrößten Modellbahnanlage. Das war im Jahr 2000. Bereits ein Jahr später eröffnete das von den Braun-Brüdern getaufte Miniatur Wunderland seine Tore in der Hamburger Speicherstadt. Was zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal die Macher ahnen konnten: Die Miniaturwelt entwickelte sich zu einem echten Publikumsmagneten, der auch die bis dahin eher gemächlich vor sich dahinvegetierende Speicherstadt zu neuem Leben erweckte. Nach vier Jahren wurde bereits der 1.000.000ste Besucher begrüßt, heute sind es schon über 15 Millionen Besucher aus der ganzen Welt. Tendenz weiter steigend. „Diese positive Entwicklung begründet sich aus dem Zusammenspiel mehrerer Faktoren“, erklärt Frederik Braun. „Die Anlage lädt zum Träumen und Beobachten ein, spiegelt Meinungsvielfalt wider und gibt dem Betrachter die Möglichkeit, Teile unserer Welt aus einer völlig anderen Perspektive zu betrachten.“
Die 260.000 Einwohner des Miniatur Wunderlandes wurden von den verschiedenen Mitarbeitern bewusst in Szene gesetzt. Jeder Modellbauer darf sich frei entfalten und einen Teil seiner Beobachtungen und Träume in die Anlage einfließen lassen. In Arbeitsstunden, die in die Hunderttausende gehen, entstand so eine Welt, die dem Original nicht nachsteht. Auch hier gibt es lustige Szenen aus dem Alltag. Genau wie sozialkritische oder aufrüttelnde. Und es sind genau diese Details, die den großen Unterschied machen. Zwar fahren die Züge getreu dem Vorbild, aber die Anlage ist inzwischen mehr als „nur“ eine Modelleisenbahnanlage. Wer eine Zeit an derselben Stelle verweilt, sieht immer wieder neue Szenen. Aber nicht nur die Erschaffung einer eigenen Welt macht das Miniatur Wunderland so einzigartig. Unter den imposanten Landschaften versteckt sich im Modellbau noch nie da gewesener Hightech. „Einer unserer Grundsätze war es schon immer, sich jeder technischen Herausforderung zu stellen, egal, wie aussichtslos sie am Anfang erscheinen mag. Mit dieser Einstellung haben wir es in der Vergangenheit geschafft, Techniken zu kreieren, die die Besucher zum Staunen bringen“, ergänzt Gerrit Braun seinen Bruder. So sorgen beispielsweise 385.000 LED-Lichter, die dynamisch an- und ausgehen, gepaart mit einer eigens entwickelten Lichtsteuerung für eine annähernd perfekte Tag- und Nachtsimulation und über 300 von Computern gesteuerte Autos für große Augen. Das technische Glanzstück ist dabei der Flughafen, auf dem die Flugzeuge nicht nur starten und landen, sondern sich auch auf dem Weg zum Terminal genauso verhalten wie die echten Vorbilder.
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Fakt ist: Irgendwo wird im Miniatur Wunderland immer gebaut. Seit 2013 war das direkt neben der Schweiz der Fall. Hier entstand Italien und wurde gerade der Öffentlichkeit mit einer großen Zeremonie übergeben. Zum ersten Mal wurden alle rund 450 Gebäude und Brücken des neuen Abschnitts – und der umfasst neben Rom unter anderem die Amalfiküste, den Vesuv, die Toskana sowie Südtirol – im eigenen Hause gefertigt. Bausätze aus dem Handel kommen nicht zum Einsatz. Das macht die Arbeit natürlich nicht einfacher, die Detailtreue aber noch besser. Modellbauerin Theresa arbeitete beispielsweise mehr als ein Jahr alleine an dem Nachbau des Kolosseums. Sie setzte in akribischer Arbeit die einzelnen Bögen zusammen und färbte die Steine genauso ein wie beim Vorbild. Tausende Stunden stecken auch in der realitätsgetreuen Darstellung der Landschaften, der Städte sowie deren Ausgestaltung. Das wirkt alles sehr echt, aber es bleibt eben auch typisch Wunderland. An allen Ecken und Enden auf und teils auch unter der Anlage finden sich witzige Szenen, die kleine Geschichten erzählen und so die Szenerie erst zum Leben erwecken. So ist beispielsweise an einer Stelle eine Miniaturwelt auf der Anlage zu sehen, in der das Thema Italien lautet. Zu sehen sind dort unter anderem auch das Kolosseum sowie der schiefe Turm von Pisa im Nachbau. Eine Miniaturwelt im Miniatur Wunderland – fast schon surreal.
Aus einem kleinen Start-up ist in der Zwischenzeit ein echtes mittelständisches Unternehmen mit über 360 Mitarbeitern geworden. Und Deutschlands Touristenattraktion Nummer eins. Selbst Schloss Neuschwanstein oder das Brandenburger Tor müssen sich der Miniaturwelt gemäß einer Umfrage der Deutschen Zentrale für Tourismus geschlagen geben. Auch für Hamburg selbst ist das Miniatur Wunderland ein wichtiger kommerzieller Faktor geworden. Allein 245.000 Übernachtungen gehen auf das Konto der Gebrüder Braun. Und die planen, was das Zeug hält. Kostentechnisch sind bereits über 16 Millionen Euro in die Anlage geflossen, weitere Gelder sind eingeplant. Die Finanzierung solcher Erweiterungen bestreiten die Braun-Brüder aus den laufenden Einnahmen und Rücklagen, Kredite werden dankend abgelehnt. Wer meint, diese Politik schlage sich bei den Eintrittspreisen nieder, sieht sich getäuscht. Gerade einmal 13 Euro zahlen Erwachsene, Kinder bis 16 Jahre sogar nur 6.50 Euro. Auch die Verpflegung im Restaurant schlägt höchstens auf das Gewicht, nicht aber auf den Geldbeutel. Denn auch hier sucht man abgehobene Preise vergeblich.
Egal, ob zum ersten Mal oder als „Wiederholungstäter“, die Reise ins Miniatur Wunderland lohnt sich immer. Nicht nur zur Weihnachtszeit. Unser Tipp: Da das Miniatur Wunderland ein echter Touristenmagnet ist, bieten viele Reiseanbieter Komplettangebote mit Anreise, Unterkunft und Eintritt an. Hier lohnt sich der Vergleich.
Hamburg ist zu jeder Jahreszeit eine Reise wert, nicht nur wegen des Miniatur Wunderlandes. Neben der Modellwelt locken vor allem der Hafen und die Speicherstadt die Besucher aus aller Welt an. Besonders schön im Winter: der Weihnachtsmarkt direkt vor dem imposanten Rathaus. Wer ein Nachtschwärmer ist, der kommt in Hamburg wie sonst wohl kaum irgendwo anders in der Republik auf seine Kosten. St. Pauli sei Dank. Hamburg ist auch die Musical-Hauptstadt Deutschlands. Allein rund zehn große Shows – darunter Dauerbrenner „Der König der Löwen“ – buhlen hier um die Besucher, von den vielen kleinen Theatern ganz zu schweigen. Die Anreise nach Hamburg ist aus der Landeshauptstadt Düsseldorf besonders leicht. Vom hiesigen Flughafen starten jeden Tag im Schnitt zehn Maschinen mit der Destination Hamburg. Mit der Bahn dauert die Anfahrt zwar länger, dafür fährt fast stündlich ein Zug in Richtung Hansestadt ab.
Matthias Hausmann • 15. November 2024