Neue Leute kennenlernen im Kochkurs in Düsseldorf
Düsseldorf – für viele von uns Heimat, für andere auch so die Traumstadt. Doch der schönste Ort kann noch so großartig sein, einsam macht er keinen Spaß. Andrea zog als kontaktfreudige Berlinerin zu uns in den Westen und tat sich trotzdem schwer mit dem Freundefinden. Bis sie einen Rat ihrer Mutter befolgte …
Jeder, der schon mal in eine fremde, neue Stadt gezogen ist, kennt diese Herausforderung: neue Freunde finden. So geht es auch Andrea, als sie für den Job nach Düsseldorf zieht. Von einem Tag auf den anderen trennen sie 478 Kilometer Luftlinie von der alten Heimat Berlin. Als Berlinerin ist sie zwar weltoffen und kontaktfreudig, doch was bringt das, wenn man 10 Stunden des Tages im Büro verbringt? Nach der Arbeit ausgehen wäre nett, aber mit wem? Mit Kollegen? Möglich, aber da muss es doch noch mehr geben. Alleine ausgehen? Nein. Abgesehen davon knüpft man in Bars selten Freundschaften, eher flüchtige Bekanntschaften. Also telefoniert Andrea. Sehr viel, ja, viel zu viel, doch das stillt das Bedürfnis nach Freunden irgendwann nicht mehr. Schließlich überwindet sie sich, ihre Freunde, Bekannten, alten Kollegen und zu guter Letzt sogar ihre Mutter zu fragen: „Wie soll ich hier endlich neue Leute kennenlernen?“ „Mach doch einen Kochkurs in Düsseldorf! Wenn Liebe durch den Magen geht, funktioniert das vielleicht auch bei Freundschaften.“ Andrea überlegte, zumal der Magen bisher sowieso entweder leer war oder mit Convenience-Food gefüllt wurde. Also zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen?
Eine Google-Suche später, und 5 Optionen reicher, erblickt Andrea ein köstliches Menü: Herbstaromen nennt sich der Kurs: Maronenravioli mit Birne und Gorgonzola, Pfifferlingsrahmsüppchen mit Speck und Croûtons, Rehrücken mit Walnusskruste, zweierlei Kürbis und Spitzkohl-Trauben-Salat, geschmorte Quitten, Gewürzbiskuit und Kürbiskerneis stehen auf dem Speiseplan. Unschlagbar. Und so gewinnt das Kochatelier im Benrather Küchenstudio das Rennen. Nur ein paar Klicks und 89 € später kommen ihr Zweifel: Was ist, wenn das Klischee stimmt, dass Kochkurse nur von Rentnern besucht werden?
4 Tage später ist die Zeit gekommen, Freunde zu finden. Ab nach Benrath. Was in Düsseldorf so viel heißt wie: ab in die Vorstadt! Beim Eintreffen an der Location ist sie erst mal irritiert: Die Düsseldorfer Küchenstudios haben traumhafte Küchen, doch alles ist so „clean“. Hier soll man kochen? Hat irgendwer jemals hier gekocht? Im angrenzenden Raum sind schon drei große Tische eingedeckt. Wein-, Sekt- und Wassergläser sind Teil des Tischarrangements. Wer an Schule denkt, stellt sich automatisch Tischreihen und einen Lehrer vor der Tafel vor. Er macht vor, die Schüler machen nach. Nach Tischreihen sucht man im Kochatelier aber vergeblich. Vielmehr sieht man eine sehr saubere, gar glänzende, große, professionelle Küche, ausgerichtet auf das gemeinsame Kochen. Und das durchschnittliche Alter der Teilnehmer? Ungefähr 40. Paare, Freunde, Mutter und Sohn. Und Andrea. Eine Ansammlung unterschiedlichster Menschen. Zur Begrüßung gibt es erst mal Prosecco, der hoffentlich die Stimmung lockert. Erst einmal wirken die Teilnehmer auf die Berlinerin nämlich ein wenig wie leicht versnobte Düsseldorfer. Erst einmal.
Egal ob es zum Kochen, ins Kino oder in die Altstadt geht: Eddy ist immer eine gute Wahl für die Hin- und Rückfahrt.
„Zuerst: Wir duzen uns hier. Ich bin Julian“, erklärt Küchenchef und Kochlehrer Julian Raasch gleich zu Anfang. Zustimmendes Nicken, wo man hinsieht. Er erzählt von sich und der Geschichte der Kochateliers, die es übrigens nicht nur in Düsseldorf, sondern auch in Bonn, Köln, Bergisch Gladbach und Bornheim gibt. „Bitte nehmt euch eine Kochschürze. Über jedem Stuhl hängt eine. Hier auf der Theke liegen eure Namensschilder“, dirigiert Julian und ist dabei wahnsinnig sympathisch, bevor er seine helfende Hand Nina vorstellt, die sich um das dreckige Geschirr kümmert und den Getränkenachschub im Blick hat. Bei der Erwähnung des Getränkenachschubs rutscht jedem Teilnehmer ein Lächeln raus – die erste Gemeinsamkeit des Abends. Bei jedem Kochkurs der Düsseldorfer Kochschule wird nicht nur ein köstliches Menü gezaubert, auch alle Getränke sind inklusive. Also beginnt die Runde damit, auszuschenken.
Das Düsseldorfer Trinkwasser ist erstklassig und lässt sich auch zu einem Sterne-Menü servieren.
Bevor es richtig losgeht, erklärt Julian die Zutaten, die bereits auf den Theken bereitstehen. Anschließend schauen sich die Hobbyköche erst mal um. Die Zutaten sind von hervorragender Qualität. Man muss gar nicht kochen, damit Appetit entsteht. Julian überlässt den Teilnehmern vorerst die Entscheidung, welche Aufgabe sie zuerst übernehmen. Andrea will leicht anfangen und stellt sich vor ein Brett mit Karotte, Sellerie und Kohlrabi, dem klassischen Suppengemüse. Das hat sie schon tausendmal gemacht. Die Aufgabe: es schneiden. Eigentlich kinderleicht, aber der Chefkoch steht in Sichtweite. Waschen, bürsten oder schälen? Und wie groß sollen die Stücke überhaupt werden? Ihre Planlosigkeit steht ihr ins Gesicht geschrieben, als Julian sich ihr endlich zuwendet. „Zeig mal deinen Zeigefinger“, etwas irritiert sieht Andrea auf ihre eigene Hand, „genauso dick sollten die Würfel in etwa sein. Und schäle die Karotte, bevor du sie schneidest, bitte“. Julian managt spielend leicht die Koordination der 15 Teilnehmer, ohne dass Chaos herrscht. Dann legt Andrea los. Vier Minuten später ist das Gemüse geschnitten. Was jetzt? Bevor sie an das zweite Glas Wein denken kann, teilt Julian ihr eine neue Aufgabe zu: das Mixen der Walnusskruste für den Rehrücken. Er wirft Baguette, Butter und Walnüsse in einen großen Mixer. „Es soll fein und gleichmäßig werden. Anschließend kannst du die Masse auf einem Backblech verteilen. Schön dünn.“ Julian springt von Teilnehmer zu Teilnehmer und ist dabei immer gut gelaunt und humorvoll. Das färbt auf die Hobbyköche ab. Vor lauter Eifer vergisst Andrea fast ihr Hauptanliegen und fängt ein Gespräch mit dem Mann neben sich an. Das Thema: Käse. Gorgonzola – um genau zu sein. Genau wie das Gespräch ist dieser einfach köstlich. Jan ist Mitte 30, Fotograf, Urdüsseldorfer und mag den Weichkäse genauso sehr wie sie, weshalb nach der ersten Konversation die Hälfte weg ist. Beide probieren die Soße, die Jan damit zubereitet. „Ich finde, es könnte etwas mehr Gorgonzola rein“, lacht Andrea, doch Jan ist anderer Meinung: „Laut Julian ist das genug“. Bahnt sich hier schon eine Freundschaft an? Jedenfalls haben beide viel zu lachen.
Geht bei einem Kochkurs mit so vielen Teilnehmern nichts schief?“, fragt Andrea interessiert. „Selten“, antwortet Julian, denn er behält tatsächlich immer den Überblick, wie es ein Küchenchef können muss. Mittlerweile hat Jan die Gorgonzolasoße auf einen kalten Teil der Kochplatte geschoben. Daneben beginnt Sahne zu köcheln, die die Basis des Pfifferlingsrahmsüppchens wird. Zwei weitere Teilnehmerinnen, Anna, 29-jährige Marketingmanagerin, und Mona, 56-jährige Bürokauffrau, putzen und selektieren die Pfifferlinge, denn „Pilze werden niemals gewaschen. Ein bisschen Waldboden ist nicht schlimm und sorgt für Würze“, so der Chefkoch. Die großen, optisch weniger hübschen Pilze werden fein püriert. Die kleinen dienen als Dekoration. Andrea püriert und soll laut Julian die Masse anschließend zur köchelnden Sahne geben – und ruiniert dabei fast das Menü. Zum Glück springt Mona vor und stoppt sie davor, die Pilze fälschlicherweise unter die daneben köchelnde Gorgonzolasoße zu mischen. Doch wer gemeinsam Krisen durchlebt, knüpft schließlich Freundschaften, oder? Das Tolle am Kurs: Er ist ein Event. Ein Kochlehrer, der auch Comedian sein könnte, offene und wissbegierige Hobbyköche und ein wenig Wein machen einfach Spaß.
Unsere Teilnehmer haben bereits Gemeinsamkeiten, ohne sich zu kennen.
Ob alle Gerichte gelungen sind, zeigt sich beim Anrichten. Auch hierbei wächst der Teamgeist, denn Dekorieren funktioniert am besten am Fließband. Jeder Hobbykoch übernimmt eine Aufgabe, sei es das kunstvolle Arrangieren des Hokkaidopürees oder das Absetzen des Gorgonzolaschaums auf Ravioli. Ein Kinderspiel für Julian Raasch, der den Teilnehmern zeigt, wie man Teller professionell anrichtet.
Andrea serviert, während vier weitere Teilnehmer das Gekochte auch zum optischen Kunstwerk machen. Dann wird gegessen – gemeinsam. Und das fühlt sich fast wie ein Essen mit der Familie an. „Du lernst es nur, wenn du es machst“, meint René vom Kopfende des Tisches, „irgendwann kann auch ich Zwiebeln schneiden, ohne zu weinen!“ Alle prosten sich zu. „Jedes Mal, wenn ich hier war, habe ich was gelernt, aber vor allem haben wir immer einen schönen Abend gehabt“, merkt Mona vom Pfifferlingsrahmsüppchen an und erntet tosende Zustimmung. Man fühlt sich wohl mit diesen Fremden, die sich für einen Abend zusammengetan haben. Mindestens für diesen einen Abend.
Der Düsseldorfer Kochkurs ist nicht die Singlebörse schlechthin. Aber er bietet eine Möglichkeit, unter Menschen zu kommen und neue Leute kennenzulernen. „Unsere Teilnehmer haben bereits Gemeinsamkeiten, ohne sich zu kennen: Sie kommen zusammen, weil sie Essen lieben, weil sie Genuss lieben und Freude am Kochen haben“, erklärt Julian, „diese Interessen verbinden sie“. Es ist also ganz natürlich, dass man sich unterhält. So kann auch aus Bekanntschaft Freundschaft werden. Und ebendies lässt sich am Essenstisch in den Kochateliers beobachten: Menschen, die sich noch vor zwei Stunden wildfremd waren, reden, lachen und genießen gemeinsam. Die Kochkunst der anderen wird gelobt, es werden Scherze gemacht, Restaurants oder Feinschmeckermärkte empfohlen. Man lernt sich kennen.
Doris Dreßler • 24. Mai 2019