Bea Schröders bewohnbare Kunst – Leben aus dem vollen Farbtopf
„Können Sie sich eine Welt ohne Farbe vorstellen? Tomaten ohne Rot? Zitronen ohne Gelb? Einen Himmel ohne Blau? Ich nicht!“, sagt Bea Schröder, Inhaberin des Ateliers MICMAC im Herzen der Düsseldorfer Altstadt. Seit 1992 zaubert die freischaffende Künstlerin Werke, die vor Leuchtkraft und Lebensfreude nur so überfließen. Und die für jeden Geldbeutel erschwinglich sind. Schauen Sie mal rein!
Wenn man durch den schöneren Teil der Düsseldorfer Altstadt streift, vom Carlsplatz in Richtung Filmmuseum, kommt man irgendwann an einem pittoresken gelben Altbau vorbei. Genauer gesagt: Man kommt nicht dran vorbei! Man muss stehenbleiben, hingucken, reingehen: in das Atelier MICMAC an der Hafenstraße/Ecke Schulstraße. Doch je länger man sich darin umschaut, desto weniger traut man seinen Augen. So bunt und schrill und kühn geht es selten zu im Designpurismus von heute. Und während man um manche Düsseldorfer Edelgalerie eher einen ehrfürchtigen Bogen macht, fühlt man sich hier sofort wie zu Hause. „Die Leute gucken, kommen rein, lächeln, geben positive Kommentare ab“, sagt Bea Schröder, die jeden Besucher herzlich empfängt: „Das ist es, was ich will: die Menschen begeistern!“
Bea Schröders Kunst ist keine Museumskunst zum Davorstehen und Rätselraten. Es ist eine Kunst zum Drinplatznehmen und Sichtreibenlassen. Ihr Leitthema ist das „bewohnbare Kunstwerk“: „Zum Wohnen gehört nicht nur das Bild, es gehören auch Möbel, Leuchten, Spiegel und die alltäglichen Dinge des Lebens dazu.“ Sie alle werden für Bea Schröder zu Objekten ihrer Kunst. Sie bemalt und verziert Tische und Stühle, Barbies und Buddhas, Amphoren, Klaviere und Autos. 11 Smarts hat sie schon koloriert. Und auf dem MICMAC-Klavier in der Mayerschen Buchhandlung auf der Kö kann jeder Besucher testen, wie gut Farbtöne und Klangfarben miteinander harmonieren. Neben Einrichtungsgegenständen verwandeln sich ganze Räume unter Bea Schröders Händen zu Inseln der guten Laune: Wohnungen und Großraumbüros, Restaurantlobbys und Hotelfoyers, wie das Dauser auf der Ulmenstraße oder die Skylounge im 16. Stock des Innside Hotels im MedienHafen. Aber auch Industriehallen und Tiefgaragen treibt sie den grauen Alltag mit dem Pinsel aus. Je größer, desto besser: „Irgendwann möchte ich mal ein Flugzeug bemalen“, sagt sie.
Bea Schröders Kunstwerke sprechen für sich. Aber man versteht sie besser, wenn man sich an die Ursprünge der Malerei zurückerinnert: an die Höhlen der Jungsteinzeit, als Menschen begannen, sich mit leuchtenden Farben und einfachen Symbolen über ihre Gruppen hinweg zu verständigen. „Die Höhlen von heute sind die Wohnungen und Arbeitsplätze“, sagt Bea Schröder und übersetzt die Hiero- und Petroglyphen alter Zeiten in zeitgemäße Symbolsprachen. Ihre Kommunikations- und Motivationskunst versteht sie als „Höhlenmalerei für das 21. Jahrhundert“. Zur Dechiffrierung braucht man allerdings keinen Ethnologen. Man muss nur auf seine innere Stimme hören. „Man erkennt die Zeichen, selbst wenn man sie nicht kennt. Das Gehirn beginnt mit ihnen zu arbeiten und eigene Interpretationen zu entwickeln“, sagt Bea Schröder. In diesem Sinne könnte man Ihre Kunst als Modern Urban Ethno Art beschreiben.
Auf die emotionale Kraft der Symbole wurde Bea Schröder erstmals bei den Mi‘kmaq-Indianern aufmerksam, denen ihr Atelier – in der populäreren Schreibweise „Micmac“ – seinen Namen verdankt. Die Mi’kmaq stammen ursprünglich aus Kanada und leben heute noch mit knapp 30 First Nations in Nordamerika. „Auf die Micmac-Indianer bin ich durch Zufall gestoßen“. Sie sah einen durchbrochenen Pfeil, der für Frieden stand, und dachte: „Guck mal, so einfach kann Sprache sein!“ Ein Zeichen, das der potenziell feindlich gesinnte Nachbarstamm von damals ebenso entschlüsseln kann wie jeder Mensch von heute, überall auf der Welt. Die Mi’kmaq selbst nennen ihre Hieroglyphen „Sucker-Fish Writings“ oder “Wels-Schrift”. Die Schrift also, die der große Süßwasser-Waller mit seinen langen Bartfäden in den schlammigen Grund des Flusses malt. Kunstmetaphorisch ausgedrückt: ein Unterwasser-Pinsel geführt von Neptun, in dessen Reich das Leben seinen Anfang nahm. In ähnlicher Weise „welst“ Bea Schröder ihre Hieroglyphen auf jeden beliebigen Untergrund und lässt die Farben überfließen, um Geschichten des Werdens zu erzählen.
Als ich den durchbrochenen Pfeil der Micmac-Indianer sah, dachte ich: Guck mal, so einfach kann Sprache sein! Das hat mich zu meiner Kunst inspiriert. Atelier MicMac
Bea Schröder • Atelier MicMac
Zu ihrem Zeichenrepertoire zählen noch heute viele originäre Mi’kmaq-Symbole. Zum Beispiel der Kreis mit dem Punkt in der Mitte, der den Geist symbolisiert. Oder der Sonnenaufgang: ein kurzer Bogen gefolgt von einem langen Bogen, der den Lauf der Sonne nachzeichnet. Hinzu kommen die ikonografischen Zeichen unserer Zeit wie das Peace-Symbol – der zerbrochene Pfeil von heute – oder das Che Guevara-Konterfei. Sowie zahlreiche eigene Symbole und Lautmalereien. Ihre Zeichensammlung nennt Bea Schröder „Toolbar for Life“. Die Werkzeugkiste des Lebens gestaltet sie nach Kundenwunsch in allen Größen und Farben. Darin findet jeder das Werkzeug, das er gerade braucht, um seine Stimmung aufzuhellen.
Von der Werkzeugkiste fürs Leben geht es in die Werkstatt, in der Bea Schröder den größten Teil ihres Lebens verbringt, bis zu 16 Stunden am Tag: ihr gut 200 Quadratmeter großes Atelier, gleich um die Ecke. Hier sieht es aus, als sei ein Elefant durch einen Acrylladen getanzt. Die Farben verteilen sich auf allem, was Bea Schröder sich als Träger für ihre Kunst ausguckt: Leinwände, Kunststoffe oder Steingut, Aluminium, Holz oder Glas. Mal baut sie flirrende Maschinen aus altem Elektroschrott. Mal drapiert sie Seidenblumen zu üppigen Wandbeeten. Mal arrangiert sie umgemodelte Barbies zu subversiven Collagen. „Das sind meine Crazy Girls“, denen sie sich selbstredend zurechnet.
Die Farbe wird gepinselt, gewischt und gespachtelt, geschmissen, gesprüht und geknetet, in Schichten übereinander gelegt, rausgekratzt, überlackiert. „Ich trage am liebsten dick auf“, sagt Bea Schröder und folgt dabei keinem chromatischen Lehrbuch. „Man kann auch Blau und Rot gerade sein lassen.“ No-Gos gibt es ebenso wenig wie vorgegebene Ziele. „Oft weiß ich nicht, was hinten rauskommt. Ich sage immer: Der liebe Gott malt mit.“ Jedes Bild verändert vielfach seine Optik, bis es seine finale Form findet.
Ich bin jemand, der noch bezahlbar ist. Und das will ich auch bleiben.
Bea Schröder, Atelier MicMac
Und jedes Bild findet einen Abnehmer: „Flops gibt es nie! Irgendwann trifft jedes meiner Werke auf seinen Fan.“ Was nicht nur an den üppigen Farben, sondern auch an den unüppigen Preisen liegt: Schon ab 25 Euro sind kleine Unikate von Bea Schröder zu haben. „Ich bin jemand, der noch bezahlbar ist. Und das will ich auch bleiben.“ Hier kommt ein weiteres Symbol aus ihrer Toolbar for Life zum Tragen: der diagonale Balken. Er steht für das Geld und ist dem Logo der Deutschen Bank nachempfunden. Dort absolvierte die gebürtige Ruhrgebietlerin einst eine Ausbildung zur Bankkauffrau. „Das hab ich gemacht, weil es von mir erwartet wurde. Aber das war nicht das, was ich wollte.“
So wurde sie freischaffende Künstlerin. Eine gute Entscheidung – wie Sie bei einem Besuch im Atelier MICMAC mit breitem Lächeln feststellen werden!
Entdecken Sie das Atelier MICMAC unter www.micmac.de
Energie, Kunst und Kultur – bei den Stadtwerken Düsseldorf gehören diese Begriffe zusammen. Denn Kunst und Kultur eignen sich wie kaum ein anderes Medium dazu, den Dialog mit den Menschen zu fördern und kreative Impulse aufzunehmen
Joachim Gerloff • 22. August 2024